Anleger sind häufig verunsichert, wenn es darum geht, den für ihren Fall passenden Anwalt zu finden. Lesen Sie hier, welche Anbieter es am Anwaltsmarkt gibt und wie sich die Spreu vom Weizen trennen lässt.
Unerbetene Anwaltspost
Skepsis ist angebracht, wenn Anwaltspost ins Haus flattert und marktschreierisch mit angeblichen Prozesserfolgen geworben wird. Diese Form der Mandatsakquisition um Erteilung eines Einzelmandats ist berufsrechtlich verboten - aus gutem Grund. Denn es gibt viel zu verdienen. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Verbraucherschutz beträgt der Schaden deutscher Kapitalanleger aus Falschberatung durch Banken und Vermittler bis zu 30 Mrd. Euro jährlich. Entsprechend hoch ist deshalb das Interesse der Anwälte, in diesem Bereich Klagen zu führen und auch aussichtslose Prozesse zu empfehlen.
Angebliche Prozesserfolge
Sieht man genau hin, ist der von selbsternannten Anlegeranwälten beworbene Prozesserfolg nicht verallgemeinerungsfähig, jedenfalls nicht passend für den konkreten Fall des angeschriebenen Anlegers. Es hilft ihm wenig, sich auf eine Entscheidung des Landgerichts Koblenz zu berufen, wenn eine Klage vor dem Landgericht Braunschweig zu führen ist. Jedes Landgericht folgt für gewöhnlich seinem Oberlandesgericht und die Rechtsprechung der einzelnen Oberlandesgerichte in Kapitalanlagefällen ist durchaus sehr unterschiedlich.
Keine Sammelklage
Anders als dies oft suggeriert wird, gibt es im deutschen Recht keine Sammelklage wie in den USA. Auch wenn es erste Ansätze hierzu im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) gibt, muss jeder Anleger letztlich im eigenen Namen klagen und trägt auch das volle Kostenrisiko. Die Mandatierung einer selbsternannten Anlegerschutzkanzlei bringt dem Anleger insoweit also keine Vorteile.
Fabrikmäßige Bearbeitung von Fällen
Seit Jahren mehren sich die Beschwerden von Anlegern, Richtern und auch Verbraucherverbänden über eine fabrikmäßige Abarbeitung von Fällen durch selbsternannte Anlegerschutzkanzleien. Oft versprechen diese Anwälte zu viel und arbeiten mit mehr oder weniger zusammenkopierten Musterklagen ohne konkreten Fallbezug.
- "Abrechnung mit Anlegeranwälten - Gericht: Millionenhonorar auf dem Rücken der Mandanten" (FAZ vom 21.07.2014, 23)
- "Hilfe mit Haken" (Focus-Money 20/2013, 72 f.)
- "Achtung, Anwalt!" (DIE ZEIT Nr. vom 21.10.2010 = www.zeit.de/2010/43/F-Geldanlage-Anwalt)
- "Masse statt Klasse" (Wirtschaftswoche vom 26.01.2009, 83 f.)
- "Unseriös und zynisch" (Wirtschaftswoche vom 26.01.2009, 88 f.)
Vorsicht vor Interessengemeinschaften
Das berufsrechtliche Verbot der Bewerbung um ein konkretes Mandat versuchen Anwälte bisweilen durch die Gründung von Interessengemeinschaften zu umgehen. Hinter diesen Interessengemeinschaften stehen letztlich wiederum Anwälte, was dem Leser verschwiegen wird. Die Wirtschaftswoche nennt Beispiele:
- Deutscher Insolvenzring
- Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz
- Deutscher Schutzverband gegen Diskriminierung
- Deutscher Verbraucherschutzring.
Den Parallelfall gibt es nicht
Der konkrete Sachverhalt wird von sog. Anlegerschutzkanzleien oft nicht aufbereitet. Stattdessen wird seitenlang aus Urteilen anderer Gerichte zitiert. Nun gehört zum Grundwissen jedes Juristen, dass Namen keine Argumente ersetzen und allein der Sachverhalt das juristische Ergebnis beeinflusst. Anders als der Anleger meint, kommt es allein auf die präzise Erfassung und schriftsätzliche Darstellung seines konkreten Sachverhalts an. Den viel beschworenen Parallelfall gibt es nicht.
Auswahlkriterien für den eigenen Anwalt
Eine bundesweit ausschließlich im Kapitalanlagerecht tätige Kanzlei ist immer dann für den Anleger von Vorteil, wenn es um bislang ungelöste Rechtsfragen geht. Hier ist es erforderlich, den Gang durch alle Instanzen zu gehen. Gleichgerichtete Interessen von Hunderten von Anlegern gestalten das Kostenrisiko für derartige Musterverfahren erträglich. Denn hier kann der Anwalt aus dem Honorarvolumen vieler Mandanten bisweilen auch Gutachten in Auftrag geben oder Expertisen Dritter einholen. Er kann Handgelder an auskunftsbereite Dritte aus dem Lager des Prozessgegners zahlen und sich auf diese Weise nützliche Informationen verschaffen, die ihm andernfalls nicht zur Verfügung stünden.
Demgegenüber ist ein Anleger bei hinreichend geklärter Rechtslage oftmals bei spezialisiert arbeitenden regional tätigen Anwaltsbüros mit jahrzehntelanger allgemeiner Prozesserfahrung besser aufgehoben. Hier wird man schon deshalb der Versuchung widerstehen, fabrikmäßig zu arbeiten, weil es gar nicht genug vergleichbare Fälle gibt. Als Faustformel darf gelten, dass eine Spezialisierung auf bestimmte Rechtsgebiete erst ab einer kritischen Masse von etwa 5 Rechtsanwälten möglich ist.
Erfahrene Prozessanwälte aus Büros mit einer gewissen räumlichen Nähe zum Prozessgericht sind nach meiner Beobachtung meist erfolgreicher als reisende Anwälte aus sog. Anlegerschutzkanzleien. Denn sie kennen das Gericht aus anderen Verfahren und nehmen sich Zeit für das Mandatsannahmegespräch. Da ihre Kenntnis von den Besonderheiten des Einzelfalles größer ist, können sie sich prozessual besser vorbereiten und ihren Sachvortrag entsprechend präzisieren. Auch muss der Anleger wissen, dass der Experte aus der sog. Anlegerschutzkanzlei, der unbestreitbar Erfolge bei bahnbrechenden Verfahren aufzuweisen hat, keine Durchschnittsprozesse führen wird, sondern sich auf ausgewählte Musterverfahren konzentriert. Die eigentlichen Sachbearbeiter in sog. Anlegerschutzkanzleien kennen den Mandanten oft nur vom Telefon oder aus der email-Korrespondenz. Ein persönliches Gespräch läßt sich durch derart schablonenhafte Informationsgewinnung aber niemals ersetzen. Als grober Anhaltspunkt mag hier gelten, dass ein persönliches Mandatsannahmegespräch etwa 2 Stunden Zeit benötigt, will man alle Facetten eines Falles erfassen.
Häufig bedienen sich sog. Anlegerschutzkanzleien eines "Reiseanwalts", auf welchen die Terminsvertretung vor Ort delegiert wird. Dieser lernt den Mandanten erstmals auf dem Gerichtsflur kennen und hat die Akte nur oberflächlich gelesen. Im entscheidenden Moment kann er dem Mandanten in der Verhandlung nicht helfen. Ein Anwalt, der das Gericht aus anderen Fällen kennt, ist eher in der Lage, die handelnden Personen auf der Richterbank einzuschätzen.
Es schadet nicht, wenn der eigene Anwalt auch von Wettbewerbern und Richtern als kompetenter Ansprechpartner empfohlen wird. Eine Empfehlung in einschlägigen Brancheninformationsdiensten, wie JuVE oder Pritchard, ist meist ein Fingerzeig auf vertiefte Kenntnisse des Anwalts. Der mandatierte Anwalt sollte auch konkrete Prozesserfolge aus eigener Berufstätigkeit nachweisen können. Er wird in der Lage sein, dem Hilfe suchenden Anleger anonymisierte Entscheidungen zur Verfügung zu stellen, damit sich dieser ein Bild von der Entscheidungspraxis des für ihn zuständigen Gerichts machen kann.
Hilfreich ist es auch, wenn der eigene Anwalt nicht einseitig nur Anleger, sondern bisweilen auch die Marktgegenseite (Banken, Verkäufer oder Vermittler) vertritt. Denn jede Form eindimensionaler Tätigkeit führt früher oder später zu einer gewissen Betriebsblindheit. Nur wer weiss, wie die Gegenseite voraussichtlich reagieren wird, kann sein Prozessverhalten darauf einstellen. Wer sich demgegenüber stets auf ein- und dieselbe Seite stellt, handelt irgendwann reflexhaft und ist nicht in der Lage, Winkelzüge des Gegners zu antizipieren. Das ist immer dann von Nachteil, wenn die Erfolgsaussichten unsicher sind, ein Fall also auf der Kippe steht. Insoweit hilft dem Anleger deshalb eher eine kritische Distanz seines Anwalts als eine joviale Verbrüderung. Denn Justitia läßt sich nicht für eine Seite vereinnahmen, sondern entscheidet unabhängig.
Es ist also wie beim Arzt: Eine Ferndiagnose am Telefon muss nicht falsch sein. Aber sie kann das Leben kosten.
Persönliche Unterstützung
Anleger unterschätzen die Notwendigkeit einer dauerhaften persönlichen Begleitung durch den Anwalt. Ein Kapitalanlageprozess stellt für viele Anleger eine in jeder Hinsicht grenzwertige Belastung dar. Denn es geht meist um erhebliche Beträge, nicht selten um einen wesentlichen Baustein der eigenen Altersvorsorge. Bisweilen hilft hier ein kurzer Besuch oder auch schon ein Telefonat mit dem Anwalt vor Ort, um sich rückzuversichern, dass alles gut läuft. Ein besonderes Vertrauen setzt Nähe voraus, die eine anonyme Kanzlei nicht bieten kann.