Mit folgenden Ansätzen lässt sich der Notar in die Haftung nehmen:
Beurkundung vor Ablauf der 2-Wochen-Regelfrist
Ein Notar muss sich nach § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG davon überzeugen, dass ein Verbraucher, der eine Immobilie von einem Unternehmer erwirbt, den Kaufvertragsentwurf mindestens 2 Wochen vor der Beurkundung erhalten hat, gleichgültig ob vom Notar, dem Verkäufer, Vermittler oder sonstigen Dritten. Für diesen Zeitraum geht die Rechtsprechung von einem befristeten Beurkundungsverbot aus, da die Vorschrift den Verbraucher vor übereilten Entscheidungen schützen soll. Ein Abweichen von der Regelfrist kommt nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes in Betracht. Auch dann muss aber gewährleistet sein, dass der Übereilungsschutz auf andere Weise erreicht wird. Hält sich der Notar nicht daran, stellt dies eine Amtspflichtverletzung dar.
Seit dem 01.10.2013 ist § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG zugunsten des Verbrauchers verschärft worden. Danach ist ein Vertragsentwurf dem Verbraucher zwingend vom Urkundsnotar selbst zur Verfügung zu stellen. Die Aushändigung durch den Verkäufer oder Vermittler reicht also nicht mehr aus. Zudem gilt seither eine Dokumentationspflicht des Notars, der schriftlich festhalten muss, warum von der Einhaltung der Regelfrist abgesehen wurde. Bei feststehendem Verstoß gegen die Dokumentationspflicht muss der Notar beweisen, dass er die erforderliche Belehrung gleichwohl vorgenommen hat. Andernfalls gilt eine Amtspflichtverletzung als bewiesen.
In vielen Kaufverträgen findet sich zwar eine Formulierung, wonach der Anleger "eine sofortige Beurkundung ausdrücklich wünscht“. Eine solche pauschale Erklärung hilft dem Notar jedoch nicht, weil der Anleger auf die 2-Wochen-Frist gar nicht wirksam verzichten kann (BGH, Urt. v. 07.02.2013, III ZR 121/12).
Diese neue Rechtsprechung gilt auch für Altfälle. Selbst wenn der Anleger in der Notarurkunde ausdrücklich bestätigt hat, dass die 2-Wochen-Frist eingehalten wurde, ist der Notar noch nicht aus dem Schneider. Er haftet nämlich auch dann, wenn der Anleger den Nachweis führen kann, dass seine Bestätigung nicht zutrifft. In Fällen, bei denen ein Notartermin sehr kurzfristig vereinbart wurde, bereitet dies dem Anleger häufig keine größeren Schwierigkeiten.
Zu lange Bindungsfristen im Vertrag
In Schrottimmobilien-Fällen war es in der Vergangenheit durchaus üblich, dass der Anleger dem Verkäufer ein notarielles Kaufangebot unterbreitete und sich hieran für längere Zeit gebunden hielt. Innerhalb dieses Zeitraums konnte der Verkäufer dann das Angebot in notarieller Form annehmen und damit den Vertragsschluss herbeiführen. Das Angebot des Anlegers erfolgte dabei zumeist in Form vorbereiteter Vertragserklärungen, auf deren Gestaltung er keinen Einfluss nehmen konnte (Allgemeine Geschäftsbedingungen).
Nicht selten fehlt es in diesen Fällen bereits an einem wirksamen Vertragsschluss:
Ist die Bindungsfrist des Anlegers länger als sechs Wochen, versagt der Bundesgerichtshof einer solchen Klausel die Wirksamkeit, sofern nicht im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorliegen (BGH, Urt v. 17.01.2014, V ZR 5/12); Urt. v. 11.06.2010, NJW 2010, 2873 Rn 7).
Damit stellt sich die Frage, wann besondere Umstände im Einzelfall eine längere formularmäßige Bindungsfrist rechtfertigen können. Generalisierend lässt sich sagen: Die Gründe, die der Sphäre des Anlegers zuzuordnen sind, begründen stets einen besonderen Grund für eine Verlängerung der Bindungsfrist, Umstände aus der Sphäre des Verkäufers nicht.
In seiner Entscheidung vom 11.06.2010 hat der BGH darauf hingewiesen, dass hierfür ein schutzwürdiges Interesse des Anlegers bestehen muss, welches das Interesse des Klauselverwenders übersteigt. Hierzu können etwa Sonderwünsche des Anlegers zählen, deren Abklärung einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfordert.
Demgegenüber ist eine Bonitätsprüfung des Anlegers durch den Verkäufer oder die Abklärung der eigenen Erfüllungsfähigkeit im Hinblick auf eine notwendig werdende Pfandfreistellung der Immobilie kein fristenverlängernder besonderer Grund. Gleiches gilt für das Platzierungsinteresse des Bauträgers, der seiner finanzierenden Bank regelmäßig eine Abverkaufsquote (meist 70%) nachweisen muss. Für eine Abwälzung dieses originären Verkäuferrisikos auf den Anleger besteht kein rechtfertigender Grund, auch wenn dies für Bauträger mit einer Vielzahl von zu errichtenden Immobilien eine ernsthafte Hürde darstellt. Eine noch fehlende baurechtliche Genehmigung kann ebenfalls nicht zu einer Verlängerung der formularmäßigen Bindungsfrist führen, weil sich der Verkäufer im Vorfeld des Vertragsschlusses Gewissheit verschaffen kann.
Beliebt waren in vorformulierten notariellen Verträgen auch Bindungsklauseln, wonach das Angebot des Anlegers über die Bindungsfrist hinaus als widerrufliches, jederzeit annehmbares Angebot fortbesteht. Der Bundesgerichtshof sieht unbefristete Fortgeltungsklauseln als unwirksam an (BGH, Urt. v. 07.06.2013, ZIP 2013, 2108 (2110). Nichts anderes dürfte für befristete Fortgeltungsklauseln gelten. Denn mit ihnen könnte auch nach Jahren der Anleger von einer Vertragsannahme des Verkäufers überrascht werden.
Diese Rechtsprechung gilt auch für Bauträgerverträge, bei denen sich der Verkäufer neben der Eigentumsverschaffung zur Neuerrichtung oder Sanierung eines Altbaus verpflichtet (BGH, Urt. v. 17.01.2014, V ZR 5/12).
Konsequenz hieraus ist, dass allein wegen Überschreitung der Bindungsfrist oder wegen Verwendung einer Fortgeltungsklausel der Kaufvertrag noch Jahre nach seinem Abschluss rückabgewickelt werden kann. Eine Heilung tritt weder durch die Zahlung des Kaufpreises noch durch Umschreibung des Grundbuches auf den Anleger ein (BGH, Urt. v. 17.01.2014, V ZR 5/12).
Vor Gericht ist es für den Anleger entscheidend, den AGB-Charakter der obigen Klauseln beweisen zu können. Hier gilt - je nach Klausel - eine in ihren Konturen noch nicht vollständig geklärte Beweislastverteilung.
Faktisch führt die Vereinbarung einer überlangen Bindungsfrist fast immer zur Haftung des Notars. Denn ihm obliegt gerade die Amtspflicht, einen wirksamen Kaufvertrag zu beurkunden. Ob dies auch für Altfälle vor Veröffentlichung der Leitentscheidung vom 11.06.2010 gilt, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Insoweit könnte es an einem Verschulden des Urkundsnotars fehlen.
Kausalitätsfragen
Das Hauptproblem eines Notarregresses liegt in der Frage, ob die Amtspflichtverletzung des Notars ursächlich für den eingetretenen Schaden geworden ist. Der Anleger muss also beweisen, dass er den Kaufvertrag bei pflichtgemäßem Handeln des Notars nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätte. Die Beweislast für den Ursachenzusammenhang liegt beim Anleger, allerdings kommen ihm Beweiserleichterungen zugute (§ 287 ZPO).
Bislang hat es die Rechtsprechung in Notarregressen abgelehnt, eine Vermutung für ein beratungsgerechtes Verhalten des Anlegers anzunehmen (BGH, NJW-RR 2009, 199 (199). In jüngster Zeit hat die Rechtsprechung demgegenüber für Anlageberater entschieden, dass Unklarheiten, die durch eine Aufklärungspflichtverletzung bedingt sind, zu Lasten des Anlageberaters gehen, also eine Beweislastumkehr angenommen (BGH, Urt. v. 15.10.2013, XI ZR 51/11). Ob diese Rechtsprechung auch auf die Notarhaftung übertragen werden kann, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt.
Die Frage nach der Kausalität gewinnt vor allem Bedeutung für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Nichtbeachtung der 2-Wochen-Frist des § 17 Abs. 2a S. 2 BeurkG. Hier ist anwaltliches Geschick in der Aufbereitung des Sachverhalts vonnöten. Wer ein grenzenloses Vertrauen des Anlegers in den Vermittler vorträgt, schadet sich als Kläger selbst. Denn dann liegt es nahe anzunehmen, dass auch eine Verschiebung der Beurkundung um 2 Wochen ebenfalls zu einem Vertragsschluss geführt hätte. Wer sich erst Jahre nach dem Kauf die Immobilie erstmals angesehen hat, wird ebenfalls schlechte Karten haben. Denn ein solches Desinteresse lässt indiziell darauf schließen, dass dem Anleger die Förmlichkeiten des Beurkundsverfahrens eher gleichgültig waren, der Kaufvertrag also in jedem Fall geschlossen worden wäre.
Erfolgversprechend ist es, darauf hinzuweisen, dass der Verkäufer bei längerem Zuwarten des Anlegers an einen Dritten verkauft hätte. Denkbar ist auch, dass eine rechtzeitige Besichtigung der Immobilie den Anleger vom Kauf abgehalten oder der rechtzeitig konsultierte Steuerberater von einem Kauf abgeraten hätte.
Notar haftet nur nachrangig
Der Notar haftet nur, wenn Ansprüche gegen Dritte (Verkäufer, Bauträger, Vermittler, Bank) nicht bestehen oder wirtschaftlich nicht durchsetzbar sind. Dies kann dazu führen, dass der Anleger zunächst die primär haftenden Verantwortlichen verklagen muss. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dem Notar im Vorprozess den Streit zu verkünden. Durch die Streitverkündung ist es dem Notar möglich, Einfluss auf das Prozessgeschehen des Vorprozesses zu nehmen. Im anschließenden Regressprozess gegen den Notar ist ihm der Hinweis darauf verwehrt, der Anleger habe den Vorprozess durch unsachgemäße Prozessführung verloren.
Wirtschaftlicher Erfolg
Erfolgreiche Prozesse gegen den Notar sind in wirtschaftlicher Hinsicht sichere Prozesse ohne Ausfallrisiko, weil hinter dem Notar stets eine Haftpflichtversicherung steht. Bislang ist in Deutschland noch kein Notaropfer leer ausgegangen.
Ausstiegsmöglichkeiten
Übersicht über den Artikel
- Teil 1: Die Masche der Vermittler
- Teil 2: Wie komme ich raus?
- Teil 3: Erfolgreiche Prozesse